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Olivier Cayo: «In Aarau fällt man als Schwarzer auf»

Olivier Cayo
Olivier Cayo

Während des Gesprächs mit Olivier Cayo im «Starbucks» im Kasinopark in Aarau winken ihm immer wieder Bekannte zu, zwei Freunde kommen an den Tisch, fragen, ob er abends etwas mit ihnen unternehmen will. Der 22-jährige Student fühlt sich in Aarau zu Hause.

Irena Jurinak

Warum wollten Sie unbedingt Deutsch lernen?

Olivier Cayo: Das war für mich der erste Schritt der Integration, ich habe es anfangs mit Französisch und Spanisch versucht. Dann habe ich gemerkt, ich muss Deutsch lernen, wenn ich mit den Menschen hier kommunizieren will. Deutsch war der Schlüssel.

Hat Ihnen nur die Sprache die Tür in die Schweizer Gesellschaft geöffnet oder waren es noch andere Dinge?

Cayo: Der nächste Schritt war, den Mut zu haben, mit den Leuten zu sprechen. Es nützt nichts, eine Sprache zu beherrschen und dann allein dazusitzen. Der Austausch hat mir geholfen, mein Deutsch zu verbessern. Ich habe auch die Menschen und die Schweizer Mentalität kennen gelernt.

Und wie sind die Schweizer?

Cayo: Man kann nicht sagen, alle sind so, aber es ist schon eine Frage der Mentalität. Schweizer sind reservierter, sie brauchen länger, um jemanden kennen zu lernen. Zuerst sagen sie «Grüezi», beim nächsten Mal vielleicht «Wie geht es Ihnen?», dann «Heute ist es kühl» und erst dann erzählen sie von sich selbst.

Zur Person

Olivier Cayo kam vor fünf Jahren von der Elfenbeinküste in die Schweiz. Der Asylbewerber konnte an der Alten Kantonsschule Aarau die Matur machen, spricht fliessend Deutsch und will an der Uni Neuenburg Jus studieren. Vor zwei Wochen erhielt er den Bescheid, dass sein Asylgesuch abgewiesen wurde. Ein Härtefallgesuch ist nun seine letzte Chance. (ju)

Ist das in der Elfenbeinküste anders?

Cayo: Ja, dort ist es viel einfacher, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich kannte das gar nicht.

Haben Sie sich angepasst?

Cayo: Nein, aber ich habe gelernt, mit den Menschen umzugehen.

Was war für Sie hier am schwierigsten zu verstehen?

Cayo: Am meisten verletzt hat mich das Bild, das die Menschen von Afrika haben, dass sie mit diesem Kontinent nur Armut und Krieg verbinden. Darum habe ich meine Maturarbeit über afrikanische Literatur verfasst und hoffe, dass das zu einem Austausch beiträgt. Armut und Krieg sind ein Teil, aber nicht die ganze Realität. Ich glaube, es würde Afrika mehr helfen, auch Bilder eines 80 Jahre alten Ex-Bankiers mit seinem Mercedes zu zeigen anstelle von hungernden Kindern. Viele Schweizer haben mich gefragt, ob es bei mir zu Hause normale Strassen gibt und einen Flughafen.

Hat Sie das geärgert?

Cayo: Es hat mich schockiert, aber nicht geärgert. Es ist Teil des Austausches. Darum sollte man Menschen auch nicht in Schubladen stecken. Ich habe mit Freunden über Lösungen fantasiert, wie man Afrika und Europa besser machen könnte.

Können Afrikaner besser kommunizieren als Schweizer?

Cayo: Nein. Ich denke, im Grunde sind wir alle gleich, egal woher wir kommen. Kommunikation ist eine Sache der Erziehung nicht der Herkunft.

Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der sich integrieren will?

Cayo: Er soll keine Angst haben, zu sagen, was er denkt, und offen sein, zu den Leuten gehen und mit ihnen sprechen. Integration funktioniert nicht in eine Richtung, sondern nur gegenseitig nach dem Prinzip «Ich gebe dir und du gibst mir». Integration hat auch viel mit Neugier zu tun und Interesse an humanistischen Ideen.

Was können Schweizer und Afrikaner einander geben?

Cayo: Ich habe viel gelernt aus dem Buch der französischen Politikerin Rama Yade, «Noirs de France». In Frankreich fällt man als Schwarzer nicht auf, in Aarau schon. Natürlich gibt es auch in Frankreich Probleme, meistens hat es mit Angst zu tun, Angst etwas zu verlieren. Das Buch von Yade, die inmitten von Europäern lebt, hat mir gezeigt, wie uns unsere Unterschiede stärker machen und welcher Reichtum das ist.

Was macht diesen Reichtum aus?

Cayo: Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem viele Ausländer leben. Doch das war nie ein Thema. Ich habe gelernt, keinen Unterschied zwischen den Rassen zu machen. Es war ein Schock, als zum ersten Mal hier in der Schweiz jemand zu mir sagte «Hey Neger».

Wie gehen Sie damit um?

Cayo: Ich lasse mich nicht darauf ein. Ich könnte mit Rache reagieren, doch wer mit Rache anfängt, wird nie satt und will den anderen nur noch mehr verletzen. Für mich zählt, dass ich Freunde habe, die mich schätzen. Rassismus ist eine Krankheit.

Wann haben Sie sich in Aarau zu Hause gefühlt?

Cayo: Vom ersten Tag an. Ich ging spazieren, es war wie ein Déjà-vu, als wäre ich schon mal hier gewesen. Ich dachte: «Das ist mein Zuhause.» Ich glaube, mein Prozess hat viel mit dieser Einstellung zu tun, ich war von Anfang an bereit von anderen zu lernen und sie von mir lernen zu lassen.

Vermissen Sie Ihre Heimat nicht?

Cayo: Ich vermisse die Elfenbeinküste als Ganzes. Viele haben mich gefragt, warum ich nicht mehr von meinen Eltern erzähle. Am Anfang war es schwierig hier für mich, und ich dachte, meine Eltern tragen die Schuld. Mittlerweile bin ich reifer geworden, und das hat sich verändert. Aber das, was ich mir hier aufgebaut habe, habe ich allein geschafft, ich habe hier nicht eine Familie, sondern ganz viele Familien. Wenn ich Freunde necken will, sage ich: «Ich bin mehr Schweizer als du.»

Warum?

Cayo: Ich frage sie dann, wie viele Kantone der Schweiz sie schon gesehen haben. Ich war schon in 20 Kantonen. Auch das hat mit Integration zu tun. Ich habe die Elfenbeinküste nicht vergessen, ich vermisse meine Kindheit dort, die sehr schön war, ich habe dort meine erste Liebe getroffen und ich denke, ich werde irgendwann zurückgehen und dort sterben. Aber Integration bedeutet, auf einen Teil seiner Vergangenheit zu verzichten. Tut man das nicht, bleibt man immer unter seinesgleichen. Ich verneine meine Heimat nicht, sie bleibt ein Teil meines Lebens, aber mittlerweile hat die Schweiz eine grosse Präsenz in meiner Persönlichkeit.

Weil Sie hier die Liebe gefunden haben?

Cayo: Die Liebe spielt eine grosse Rolle, meine Freundin ist die wichtigste Person in meinem Leben. Aber meine Integration hat nicht mit der Liebe angefangen, es war sogar eher umgekehrt, dass die Integration mich zur Liebe geführt hat.

Quelle: Aargauer Zeitung

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